Am Samstag beteiligten wir uns mit einem Redebeitrag an der Kundgebung „Der Schillerkiez schlägt zurück – wir sind Viele“. Dazu aufgerufen hatten die kämpfenden Menschen der Mieter*innenversammlung die aus den Protesten um die Kiezkneipe ‚Syndikat‘ entstanden ist. Seit 33 jahren ist das „Syndi“ eine Instanz im Kiez, doch letztes Jahr flatterte überraschend die Kündigung ins Haus. Die britischen Milliardäre der Familie Pears wollen lieber ein profitorientierteres Gewerbe als einen Ort, an dem auch Menschen mit wenig Geld ihr Feierabendgetränk finden. Da sich weder das Betreiber*innen Kollektiv noch die Nachbarschaft das bieten lassen, begannen sie sich gegen die sich zuspitzende Situation im Schillerkiez zu organisieren..
„Es hat sich gezeigt, dass hier noch was geht“
So lässt sich das Resumee des heutigen Tages ausdrücken. Trotz schwüler 36 Grad, kamen um die hundert Leute aus dem Kiez zusammen, um ihrer Wut gegen die Zustände der Verdrängung Raum zu geben.
Viele Passant*innen blieben stehen und hörten interessiert zu, letztendlich kennt jeder in Berlin die Lage auf dem Wohnungsmarkt. Neben spannenden Infos zur aktuellen Lage des Syndikats, sprachen verschiedene Hausgemeinschaften die aktuell gegen Verkauf und Luxussanierung kämpfen und es wurde auch von den absurden Phantastereien berichtet, die sich der österreichische Milliardär Benko mit dem Karstadt am Hermannplatz ausmalt.
Bei der nächsten Mieter*innenversammlung im August können sich die Freund*innen bestimmt über weiteren Zuwachs freuen. Denn hier sind nicht nur einige betroffen. Das erkennen immer mehr Menschen und so fangen die Leute wieder an miteinander zu sprechen, tauschen sich aus und vernetzen sich.
Im Kiez spricht sich rum, dass die Nachbar*innen das alles nicht mehr lange mitmachen und das Maß irgendwann voll ist. Ob wir dann beim nächsten Mal 300 Menschen bei einer Kundgebung stehen werden? Wir können uns vorstellen, dass es wohl auch noch einige mehr sein werden.
Heute wurde jedenfalls hervorragend an die „HerrDonaubleibt“ Kiezdemo angeschlossen.
Weiter so!
Redebeitrag Sabot44
Wir fragen uns: Wie sehr müssen sich die Zustände eigentlich noch zuspitzen, damit wir hier statt mit hundert Menschen mit Tausenden stehen?
Wie lang dauert es noch, bis wir erkennen, dass WIR diejenigen sind, die die Verhältnisse verändern werden. Der Staat macht die ganze Zeit Versprechungen: Sei es die Mietpreisbremse, der Milieuschutz, und neuerdings der Mietendeckel.
Ach, was haben wir nicht schon alles gehört! Aber was hat es uns gebracht?
Nix! Nur ein Tropfen auf den heißen Stein!
Klar, für Einzelne sind Verbesserungen eingetreten. Diese sind allerdings nicht Ergebnis staatlicher Politik, sondern Ergebnis des Drucks und Widerstands auf der Straße und von unten. Dessen müssen wir uns bewusst werden!
Seit geraumer Zeit gibt es in Berlin eine Bewegung, die die Wohnungsfrage als eine strukturelle behandelt und sich weder vereinzeln noch abspeisen lässt. Wir sehen mit Zuversicht, wie viele von uns sich in Mieter*innenversammlungen vernetzen, Protestaktionen organisieren und Leerstand besetzen um diesen nach den Bedürfnissen der Nachbarschaft zu nutzen. Solidarische Unterstützung bei Verdrängung und auch eine Vernetzung die stadtteilübergreifend passiert sind wichtige Schritte.
Immer wieder treffen wir uns auf der Straße, um unseren Protest und unsere Forderungen lautstark zu äußern.
In der Diskussion um die Kampagne „Deutsche Wohnen und Co enteignen“ stellt sich letztendlich die Eigentumsfrage. Wem gehört die Stadt? Wer bestimmt wer hier wohnen bleibt? Der Aufschrei von Seiten der Politik zeigt einmal mehr, wie sehr die Kampagne und die damit einhergehende Debatte den wunden Punkt trifft. Unter den vielen Reaktionen hat ausgerechnet die Aussage von CSU-Chef Markus Söder einen wahren Kern berührt:
„Wer das Eigentum nicht mehr respektiere, ändert unsere Gesellschaft von Grund auf“
Die Kapitalist*innen rufen in solchen Situationen nach mehr Neubau, um das Problem zu lösen. Wie dieser Neubau in Berlin aussieht wurde hier schon erwähnt, lässt sich aber gerade an einigen weiteren Beispielen erkennen. Im CG-Neubauareal in Friedrichshain soll „ein gehobener Standard“ geschaffen werden, der Bebauungsplan der Rummelsburger Bucht sieht gerade einmal lächerliche 80 preisgebundene Sozialwohnungen vor, dafür aber ein Aquarium und im Wedding und Neukölln entstehen Student*innenapartements für die Oberschicht.
Wenn Inverstor*innen Neue Häuser bauen, dann nur des Profits wegen. Wenn sie alte behalten, dann nur des Profits wegen.
Das ist nicht neu Kropotkin, ein russischer Anarchist und Schriftsteller schrieb bereits or hundert Jahren:
„Das Haus ist nicht vom Eigentümer erbaut worden; es ist aufgerichtet, geputzt, tapeziert worden von Hunderten von Arbeitern, welche der Hunger auf die Bauplätze getrieben hat, welche das Bedürfnis, zu leben, gezwungen hat, einen verkürzten Lohn zu akzeptieren.“
Warum also sollten einzelne, die nichts weiter dazu tun, als das Geld zu besitzen Häuser zu kaufen und nicht wir alle darüber bestimmen können?! Warum sollten wir dieser Absurdität und Gewalt nicht noch lautstarker antworten?! Ein essentielles Bedürfnis, dass zur Ware gemacht wird, bereitet die Basis für die gewaltvollen Angriffe wie die Verdrängung von Menschen aus ihrem bisherigen Wohn- und Sozialen Umfeld.
Wir leben in einem kapitalistischen System, das die Profitinteressen einiger Weniger über die Belange Vieler stellt. Seit 150 Jahren kämpfen die Menschen für eine Verbesserung ihrer Lebensumstände und der Staat hat keine Antwort darauf. Schon immer schützt er Kapitalinteressen und es liegt ihm nichts daran, dies zu ändern. Dieses Zusammenspiel sieht man deutlich an Beispielen, die wir in der Stadtpolitik erleben:
Nach 5 Jahren Volksentscheid gegen die Bebauung des Tempelhofer Feldes, versuchen CDU, SPD und FDP diese Beschlüsse zu kippen. Am Hermannplatz darf ein österreichischer Milliardär, die Stadt nach seinen Vorstellungen umgestalten und der Neuköllner Bürgermeister spricht von Aufwertung des Bezirks. Was er mit Aufwertung meint, zeigt sich deutlich auf einem Entwurf für die Dachterrasse des neuen Megaprojektes am Hermannplatz: Dort tanzen schick angezogene Menschen Walzer! Wie Neukölln demnach in 10 Jahren aussehen soll, können wir uns alle denken.
Wir könnten noch weitere Fragen stellen, wie:
Welche Rolle spielen Jugendliche in unserer Gesellschaft?
Was ist mit den 950 Fabrikarbeiter*innen von Philipp Morris, die zu Jahresende ihren Job verlieren?
Was ist mit Obdachlosen, die immer weiter aus dem Stadtzentrum verdrängt werden?
Wer hat überhaupt die Chance sich auf Wohnungen realistisch bewerben zu können?
Welche Diskriminierungen spielen auch dabei eine Rolle?
Die zentrale Frage, die bleibt ist aber
Wem gehört die Stadt?
Wir sehen uns in der Organisierung!