Ein Reisebericht aus Mexiko

Vor einigen Monaten haben wir mit Genoss*innen vom Freien Kurier über unsere Reise in die zapatistischen Gebiete zum „Dezember des Widerstandes und der Rebellion“ gesprochen. Daraus ist ein Interview entstanden, das wir jetzt mit einiger Verspätung veröffentlichen, was jedoch der Aktualität seiner Inhalte keinen Abbruch tut.

Seit ihrem Aufstand 1994, wo tausende Indigenas fünf Bezirkshauptstädte besetzten, ist die Zapatistische Armee der nationalen Befreiung (EZLN) weltweit bekannt. In den letzten Jahrzehnten konzentrierte sich die Bewegung vor allem auf den Aufbau ihrer Autonomiegebiete. Die zivile Basis regiert sich in den Gemeinden selbst durch die „Räte der Guten Regierung“. Trotz massiver Angriffe durch den mexikanischen Staat und paramilitärischer Verbände der enteigneten Großgrundbesitzer gelang es den Zapatistas, ein eigenes Gesundheitswesen, Schulen und eine Universität von unten aufzubauen. Aber die Arbeit ging auch immer über den lakandonischen Urwald hinaus. So unterstützten sie den Aufbau des Nationalen Indigenen Kongresses (CNI) und luden immer wieder Aktive aus der ganzen Welt zu Vernetzungstreffen ein. Den Dezember 2019 riefen sie zum Monat des Widerstands und der Rebellion aus. Clara und Vivien von der Gruppe Sabot44 folgten der Einladung zum „Forum zur Verteidigung von Territorium und Mutter Erde“ und dem „Zweiten Internationalen Treffen der kämpfenden Frauen“. Aus unseren Gesprächen entstand ein erstes Interview über Organisierung und Bildung.

Schön, dass wir Zeit gefunden haben für das Interview. Ihr kommt gerade frisch aus Mexiko zurück und habt bestimmt einiges an Eindrücken mitgebracht. Bevor es losgeht, stellt euch doch kurz vor und erzählt, warum ihr der Einladung zu den Kongressen gefolgt seid.

Vivien: Wir sind von Sabot44, einer anarchistischen Gruppe aus Neukölln. In den letzten zwei Jahren haben wir durch verschiedene Projekte gemerkt, dass wir nicht an dem Punkt sind, revolutionäre Antworten auf die großen gesellschaftlichen Fragen zu formulieren. Es fehlt uns an einigen Stellen – wie vielen in der radikalen Linken – an revolutionärer Theorie, an einem Verständnis des kapitalistischen Systems, globaler Geopolitik und dem Wissen über Widerstandsgeschichte. Daher setzen wir uns mit eben diesen Themen auseinander und schaffen Orte, an denen wir dies mit Anderen teilen können. So wollen wir einen Gegenpol zum Bildungssystem, wie es in einem kapitalistischen Staat organisiert ist, verwirklichen und deshalb ist es uns auch wichtig, von dem was wir auf unserer Reise gelernt haben zu berichten. Auch das sind für uns wichtige Bildungsmomente, die wir teilen wollen.

Clara: Kapitalismus, Staaten und Patriarchat sind weltumspannende Unterdrückungssysteme, von denen wir alle betroffen sind. Überall organisieren sich Leute dagegen, geben sich damit nicht zufrieden und erheben sich. Wir leben hier in einem der kapitalistischen Zentren und sehen uns in der Verantwortung, dem Ganzen hier etwas entgegen zu setzen. Dafür müssen wir analysieren, unter welchen gesellschaftlichen und politischen Bedingungen wir hier kämpfen. Um das System als Ganzes angreifen zu können, müssen wir aber auch von den Erfahrungen weltweiter Bewegungen lernen und ihre Forderungen kennen. Unser Horizont kann eben nicht in Neukölln oder Berlin enden. Antikapitalistisch kämpfen heißt für uns Gesellschaft global zu denken und dementsprechend unsere Kämpfe auch international zu verbinden.

Welche Erwartungen hattet ihr an die Reise?

Clara: Die Zapatistas kenne ich seitdem ich politisiert bin. Sie waren für mich immer ein Beispiel für eine anarchistische Bewegung, auch wenn sie sich selber nicht so bezeichnen. Leider gibt es in Deutschland momentan keine tiefgehende inhaltliche Auseinandersetzung damit. Dazu trägt wohl auch bei, dass kaum aktuelle Texte von ihnen übersetzt werden1. Es scheint, als würde diese Bewegung entweder romantisiert oder gar nicht beachtet werden. Ein weiterer Grund für unsere Entscheidung war das Thema des zweiten Treffens „Gewalt an Frauen“, was natürlich auch für uns in Deutschland von Bedeutung ist. Vor allem, weil es nach wie vor ein tabuisiertes Thema ist. Wir sehen uns selbst noch am Anfang in unserer Auseinandersetzung damit und waren gespannt zu sehen, wie weltweit gegen Gewalt an Frauen gekämpft wird, wie das System analysiert wird und was die Antworten darauf sind.

Vivien: Natürlich waren wir auch interessiert an einem Einblick in die revolutionären Prozesse vor Ort. Wir wollten erfahren, wie sie Bildung gestalten, was ihre Strategien sind, wie sie in der Gesellschaft verankert sind und so weiter. Es war außerdem eine Chance, organisierte Leute aus der ganzen Welt zu treffen, die teilweise aus Bewegungen kommen, die seit Jahrzehnten kämpfen. Nachdem die Einladung zum Frauentreffen veröffentlicht wurde, folgte die Ankündigung, dass der ganze Dezember widerständigen Vernetzungstreffen gewidmet sein würde, was uns sehr entgegen kam. Dadurch bekamen wir noch einen größeren Einblick in soziale Kämpfe hauptsächlich Lateinamerikas, aber auch weltweit. Es gehört unserer Meinung nach zum Aufbau einer Bildung von unten, sich die Geschichte aus der Sicht von Unterdrückten und Widerständigen anzuhören und weiterzutragen, um Narrative der Herrschenden zu durchbrechen.

Was meint ihr mit Bildung von unten?

Clara: Was viele revolutionäre Bewegungen – ob historisch oder aktuell – verbindet, ist die Entwicklung von Bewusstsein und neuem Zugang zu Bildung. Das wurde uns auch über die Bewegungen in Mexiko erzählt. Der erste Schritt ist, ein Bewusstsein über die Verhältnisse und über Unterdrückung zu schaffen. Dann, die Gesellschaft dazu zu ermächtigen, sich überhaupt erst mal eine Meinung zu bilden und diese zu äußern. Genau diesen Ansatz sehen wir in Deutschland auch als immens wichtig an, da wir schon im Kindergarten oder der Schule beigebracht bekommen, auswendig zu lernen und nicht zu hinterfragen. Und was man auswendig lernt, ist natürlich die Geschichte, die einem das herrschende System vorgibt. Das wieder aufzubrechen und kritisches Denken zu fördern, ist unser aller Herausforderung.

Vivien: Die mexikanische Linke verfolgt hierbei verschiedene Ansätze. Zum Einen werden Räume geschaffen, um einen direkten Austausch innerhalb der Gesellschaft zu ermöglichen. Indem man die Realität Anderer erfährt, versteht man, wie das System sich auswirkt. Die Menschen in kleinen Gemeinden sehen, dass das, was sie erleben, ein strukturelles Problem ist und erfahren, dass es schon überall Widerstand dagegen gibt. Es sind alles kleine Puzzleteile, die sich langsam zusammensetzen. Ein weiterer Ort der Bildung von unten sind Versammlungen, wo politisch diskutiert wird. Da viele Menschen nie Zugang zu Bildung hatten, wurden auch eigene Schulen entwickelt. Das Forum hat beispielsweise an einem Ort stattgefunden, der gleichzeitig zapatistisches Verwaltungszentrum und Universität von unten ist. Im Cideci2 können indigene Jugendliche und Erwachsene kostenlos leben, sich politisch bilden und eine Ausbildung in allen möglichen Bereichen machen. In den Seminaren zu politischer Bildung gibt es keine Lehrenden, sondern alle diskutieren über aktuelle Ereignisse oder Texte, die sie gemeinsam lesen. Dabei ist jede Person dazu angehalten, eine eigene Meinung zu entwickeln. Die Idee ist, dass sie danach in die Gemeinden zurückzukehren und das erlernte Wissen weitergeben.

Wie sieht die autonome Organisierung vor Ort aus?

Vivien: Vorab muss gesagt werden, dass es neben den Zapatistas sehr viele andere soziale Bewegungen in Mexiko gibt, die international leider nicht die gleiche Aufmerksamkeit bekommen. Das meinte ich mit dem Begriff mexikanische Linke. Die EZLN hat das „Forum zur Verteidigung des Territoriums“ beispielsweise gemeinsam mit dem Nationalen Indigenen Kongress CNI und dem Indigenen Regierungsrat CIG veranstaltet und zahlreiche kleinere Organisationen eingeladen. An dem Wochenende war die EZLN eher Zuhörer als Mittelpunkt. Bei beiden Treffen, die wir besuchten, haben sie einen Raum für Vernetzung und Austausch geboten, sich selbst abgesehen von Eingangs- und Schlussreden allerdings zurückgehalten. Diese Haltung wird deutlich in dem Buch „Das kritische Denken angesichts der kapitalistischen Hydra“, indem die EZLN unter Anderem ihre Sprecherrolle reflektiert. Sie fragten sich, warum sie Angst hatten, der Bevölkerung das Mikrophon zu überreichen, obwohl es doch die Bevölkerung ist, die regiert. Und so beschlossen sie, den Menschen aus den Gemeinden Raum zu geben. Sie können ihre Lebensbedingungen schließlich am Besten erklären. Auf dem Forum haben Bäuer*innen und Arbeiter*innen gesprochen, wodurch es nicht so akademisch geprägt war, wie es in Deutschland meist der Fall ist. Es war von Widerstand gegen Vertreibung, gegen Extraktivismus 3und Bauprojekte, gegen Gentrifizierung, Rassismus und (patriarchale) Gewalt, zu hören. Die Delegierten haben geschildert, wogegen sie kämpfen und wie sie sich organisieren, was ihre Antworten auf Angriffe durch den Staat sind.

Und was sind ihre Antworten?

Vivien: Die allgemeine Strategie ist es, Autonomien aufzubauen. Das Wort benutzen sie in der Mehrzahl, da die Bevölkerung in jedem Gebiet andere Voraussetzungen hat und ihre Autonomie demnach anders umgesetzt wird. Es gibt kein Referenzmodell, wie DIE Autonomie aussieht, sondern es erfordert, kollektiv herauszufinden, was es bedarf, ein gerechtes Leben für alle zu verwirklichen – und zwar ohne externe Hilfe, beispielsweise von Parteien.

Gemeinsam hatten die verschiedenen Organisationen das Grundprinzip der demokratischen Selbstverwaltung. Über Versammlungen und Rätestrukturen sollen alle Bevölkerungsgruppen in Entscheidungsprozesse mit einbezogen werden.

Clara: Was ich auch spannend fand war, dass das Ziel nicht ist, alle Leute zu Zapatistas zu erziehen. Du musst dich nicht selbst als Zapatista verstehen, um ein Teil dieser Gemeinden zu sein und die Autonomie mit zu leben. Ihre politische Arbeit machen sie mit Überzeugung, aber ohne Druck und Zwang. Sie leben es vor und damit können sie überzeugen.

Vivien: Das hat uns an den italienischen Anarchisten Errico Malatesta erinnert, der sagte, man könne nicht darauf warten, dass alle erst zu Anarchisten werden, damit wir uns mit ihnen verbünden und, dass wir lernen müssen, was es bedeutet anarchistische Prinzipien hier und jetzt zu leben, anstatt auf das Ideal der Anarchie zu warten.

Könnt ihr beschreiben, wie die Gesellschaft sich so entwickeln konnte? Ich meine, das Ganze lässt sich ja nicht von heute auf Morgen einfach verändern.

Clara: Gut, dass du es ansprichst. Die Frage haben wir uns auch gestellt. Für mich war beispielsweise der Umgang mit Repression recht sinnbildlich für eine kollektive Aushandlung gesellschaftlichen Miteinanders. Ich kann versuchen, es anhand dieses Beispiels zu erklären. Es wurde in den autonomen Gebieten eine Art der Transformative Justice entwickelt, wodurch sich nicht an den Staat gewandt wird, sondern eigene Wege des Umgangs mit zwischenmenschlichen Konflikten gesucht werden. In zapatistischen Gebieten werden diese Konflikte über den „Rat der guten Regierung“ geklärt. Das Verfahren besteht dann aus einer persönlichen Auseinandersetzung mit dem Täter oder mit der Täterin und „bestraft“ wird mit Gemeindearbeit, deren Länge anhand der Schwere der Tat ausgehandelt wird. Tatsächlich gibt es aber auch Fälle, wo das nicht ausreicht. Es gibt auch Wiederholungstäter. Wie du schon in deiner Frage formuliert hast, lösen sich Unterdrückungsverhältnisse nicht von heute auf morgen auf. Aber große Konflikte werden deutlich weniger und dieser Umgang stellt meiner Meinung nach eine kollektive Verantwortungsübernahme als Alternative zu kapitalistischen Bestrafungssystemen dar.

Vivien: Ich denke, der Aufbau der Autonomien hat viel dazu beigetragen, dass sich die Gesellschaft so entwickeln konnte. Die Möglichkeit, sich ohne staatliche Institutionen selbst zu verwalten und dadurch basisdemokratische Strukturen zu verwirklichen, fördert kollektives Handeln und Denken. Da der Staat in militärischer Hinsicht natürlich übermächtig ist, wählen sie die Strategie des langsamen Aufbaus von unten durch Solidarität und Gemeinschaft. „Ohne Eile, aber ohne Pause in den Kampf“ lautet die Devise.

Was würdet ihr sagen, tragen solche Treffen zum Organisierungsprozess bei? Was waren eure Eindrücke?

Clara: Am Meisten hat mich beeindruckt, wie durchgetaktet alles war. Von 9 bis 19 Uhr haben die Delegierten aus den verschiedenen Gemeinden in 20 minütigen Vorträgen ihre Kämpfe vorgestellt und es gab nur wenige Pausen.

Vivien: Viele haben gesagt, dass es für sie aus teilweise kleinen Gemeinden sehr bestärkend ist, zu solchen Treffen zu gehen und Teil einer Föderation von Organisationen zu sein. So werde sichtbar, dass man nicht nur zu zwanzigst ist, sondern zu Tausenden, die sich im ganzen Land organisieren. Diese überregionalen Treffen finden sehr häufig statt, mehrmals im Jahr. Genau wie es für uns wichtig ist, zu solchen Treffen zu gehen, um die Perspektive der Widerständigen zu erfahren, ist es auch für sie wichtig, sich regelmäßig zu vernetzen. Denn auch innerhalb Mexikos ist die Informationslage zu staatlicher Repression und Widerständen dagegen nicht gerade gut. Die Erfahrung dort hat uns zu neuen Überlegungen angeregt, wie man es in Deutschland schaffen könnte, in eine regelmäßige überregionale Vernetzung zu kommen. Versuche in diese Richtung gibt es ja auch immer wieder, aber einige Fragen bleiben offen. Wie können wir hier die Trennung zwischen Stadt und Land überwinden? Wie können wir den Parolen „Kämpfe verbinden“, „internationale Solidarität“ etc. gerecht werden? Und wie können wir an einem Bewusstsein für die Dringlichkeit unserer Kämpfe arbeiten, damit diese verbindlich und kontinuierlich geführt werden?

Wo seht ihr große Unterschiede in der Organisierung in Mexiko im Gegensatz zu Deutschland?

Vivien: Also eigentlich habe ich den Eindruck, dass es strategisch einige Gemeinsamkeiten gibt. Auch in der deutschen Linken bestehen ja seit ein paar Jahren wieder verstärkt Ambitionen, sich nicht von der Gesellschaft abzugrenzen, sondern offene Räume zu schaffen, wo Menschen zusammenkommen, Stadtteilversammlungen machen, Bildungsmomente schaffen und so weiter. Wir befinden uns aber an einem anderen Punkt, da wir unter anderen Voraussetzungen kämpfen. Wir leben in einem System, dass Individualismus fördert und in dem wir kapitalistisches Denken verinnerlicht haben. Wir lernen, immer zu unserem eigenen Vorteil zu handeln. Noch dazu bekommen wir es von klein auf eingetrichtert, dass wir uns an Autoritäten wenden müssen, um etwas zu verändern. Es ist ein Fehler, sich damit nicht auseinander zu setzen, da wir als Linke nicht frei davon sind. Auch in der Bedeutung von Gemeinschaft ist in diesem Zusammenhang ein Unterschied zu sehen. Wo wir hier alles geboten bekommen, um vermeintlich „unabhängig“ zu sein, haben Gemeinschaften an vielen Orten der Welt nie an Bedeutung verloren, da sie zum Überleben notwendig sind. Die Frage ist, wie wir diese Erkenntnisse in eine dauerhafte Auseinandersetzung überführen können und auch für folgende Generationen verändern können.

Clara: Ich hatte auch den Eindruck, dass die sozialen Bewegungen in Mexiko besser in der Gesellschaft verankert sind. Wenn eine Versammlung gemacht wird, kommen halt auch Leute aus der Nachbarschaft. In Berlin schaffen Gruppen das auch immer wieder, wir stehen aber vor der Herausforderung, dass es tausend Angebote gibt, subkulturelle, aber auch sozialarbeiterische von staatlicher Seite. Mit der Omnipräsenz des Staates müssen wir arbeiten und dementsprechend Strategien entwickeln. Abgesehen davon halten uns innerlinke Konflikte oft auf. Es gibt auch dort Probleme in der Linken, aber ich hatte als Außenstehende den Eindruck, auch wenn die Gruppen unterschiedliche Kämpfe führen, ist klar, dass man ein gemeinsames Ziel hat.

Das Ziel, den Kapitalismus zu bekämpfen?

Vivien: Ganz genau. Ich denke zu dieser Entschlossenheit trägt bei, dass sie auf eine lange Geschichte von Widerstand ohne große Brüche zurückblicken können. Es gibt die Organisationen halt schon seit Jahrzehnten, bzw. antikolonialen Widerstand seit Jahrhunderten. Auch die EZLN hat schon vor dem Aufstand 1994 existiert und gemeinsam mit der Bevölkerung Perspektiven entwickelt. Als sie beispielsweise merkten, dass der bewaffnete Widerstand abgelehnt wurde, haben sie ihre Strategie geändert. Durch dieses Erleben hat die Bevölkerung ein Verständnis davon, dass Veränderung von unten kommt, dass sie die treibende Kraft sind. Obwohl wir auch auf eine lange Widerstandsgeschichte zurückblicken können, wird sich schnell abgegrenzt, sobald darin Widersprüche auftraten oder wenn Aktionen gebracht wurden, die wir heute nicht befürworten würden.

Clara: Es wird in den sozialen Bewegungen Mexikos aber auch erkannt, dass ihnen erkämpfte Errungenschaften im nächsten Moment wieder entrissen werden können, wenn es den Profit steigert oder wenn sie die Autorität gefährden. Auch die Erfahrung, dass Politiker, Polizei und Militär korrupt sind und nicht die Interessen des Volkes vertreten, haben zu großem Misstrauen beziehungsweise Ablehnung geführt. In Deutschland erleben wir Ähnliches, wenn man beispielsweise an den Cum-Ex-Skandal, Faschisten in der Bundeswehr oder an die immer offener zu Tage tretende Polizeigewalt denkt. Die Frage ist, in welche Richtung sich die gesellschaftliche Empörung hier entwickelt und welche Rolle die radikale Linke dabei spielen wird. Wir dürfen die Phase der Defensive, in der wir uns momentan befinden nicht als Stillstand begreifen, sondern als Zeit des Aufbaus und der Vernetzung. Nutzen wir sie für Bildung, Analysen und neue Strategien, um uns gestärkt an gesellschaftlichen Kämpfen beteiligen zu können.

1Ein aktueller Text von ihnen, der es in die hiesige Debatte geschafft hat, ist das Kommuniqué der EZLN „300“.

2Indigenes Zentrum zur integralen Ausbildung in San Cristóbal de las Casas

3Das Betrachten der Natur als Rohstoff und Ressource, die ausgebeutet werden kann. Meistens eine auf den Export ausgerichtete Strategie.